Wie ein Mittelständler aus Oberzent
sich international behauptet

Wer auf der iberischen Halbinsel oder irgendwo in China für eine Operation ins Krankenhaus muss, dem hilft mit ziemlicher Sicherheit auch ein Odenwälder Produkt: eine Wunddrainageflasche aus dem Unternehmen Bechtold & Sohn. Die Flaschen bilden – je nach Kundenwunsch in verschiedenen Formen und Größen – das Hauptprodukt der Firma in Oberzent-Beerfelden, die aber zum Beispiel auch in großem Stil Seifenspender für Autobahnraststätten und Dosen für verschiedene Materialien von Chemie-Unternehmen herstellt.

Ein Montagnachmittag im Juli. Landrat Frank Matiaske und Bürgermeister Christian Kehrer nehmen sich gut zwei Stunden Zeit, um die Firma im Gespräch mit Inhaber Wolfgang Bechtold und seinem Sohn, Geschäftsführer André Bechtold, noch besser kennenzulernen und über aktuelle Herausforderungen zu sprechen: Gibt es genug Fachkräfte? Welche Auswirkungen hat der Ukraine-Krieg? Wie wuppt das Unternehmen höhere Energiepreise? Wie ist die Nachfrage nach den Produkten?

Am Ende des Gesprächs und eines Rundgangs durch die Produktionshalle ist Matiaske in seiner Überzeugung bestärkt, „dass der Odenwaldkreis mit Bechtold & Sohn ein starkes, gesundes Unternehmen hat“, das sich im Wettbewerb sehr gut behaupte. „Wir können stolz darauf sein, Firmen wie diese bei uns zu haben. Sie stärken den Wirtschaftsstandort und prägen ihn, gerade in unserer starken Kunststoff- und Kautschukbranche.“

Ganz ähnlich sagt es auch Bürgermeister Kehrer, mit dem der Landrat vor dem gemeinsamen Firmenbesuch über die allgemeine Situation in Oberzent gesprochen hatte. Matiaske führt diese Gespräche derzeit in allen Kommunen, immer verbunden mit einem Unternehmensbesuch. „Ich habe ein großes Interesse am Austausch mit der Bürgermeisterin und den Bürgermeistern über spezielle Herausforderungen vor Ort sowie mit unseren Unternehmerinnen und Unternehmern, denn vitale Firmen sind für einen vitalen Odenwaldkreis unerlässlich, so wie Bechtold & Sohn.“

Für Bürgermeister Kehrer ist das 1885 in Beerfelden gegründete Unternehmen seit jeher „eine wichtige Säule unserer Stadt, denn es bietet verlässlich Arbeitsplätze.“ Besonders dankt Kehrer Wolfgang und André Bechtold für ihren engen Kontakt zur Oberzent-Schule in Beerfelden. „Für uns ist das Gespräch mit jungen Leuten dort oder am Beruflichen Schulzentrum Odenwaldkreis in Michelstadt enorm wichtig, um auch künftig Fachkräfte zu gewinnen“, schildert Wolfgang Bechtold. „Wir tun jedenfalls etwas dafür, anstatt zu jammern – auch wenn es immer mehr junge Menschen zu einem Studium statt zu einer Ausbildung zieht“, wie André Bechtold betont. „Eltern sollten ihren Kindern verstärkt den Wert einer guten Ausbildung vermitteln.“

Die Fachkräftegewinnung nimmt einen breiten Raum bei dem Unternehmensbesuch ein – aber auch schon zuvor in dem Vier-Augen-Gespräch von Landrat und Bürgermeister. Es ist eines der zentralen Themen für eine gute Zukunft aller Odenwälder Firmen und damit des gesamten Kreises. Auch die öffentliche Verwaltung muss sich mehr als bisher um Fachkräftesicherung kümmern. Dazu wollen die zwölf Städte und Gemeinden und der Kreis künftig enger zusammenarbeiten; auch darüber haben Matiaske und Kehrer gesprochen.

Doch zurück zu Bechtold & Sohn. Mit der Entwicklung von Umsatz und Gewinn sind Wolfgang und André Bechtold zufrieden – trotz enormer Herausforderungen wie etwa gestiegenen Energiepreisen. „Insgesamt aber sind die Folgen des Ukraine-Kriegs für uns nicht allzu drastisch“, so Wolfgang Bechtold. Deutliche Kritik übt er daran, „dass Banken gerade kleineren und mittleren Unternehmen der Kunststoff-Branche vermehrt den Kredithahn zudrehen.“ Eine neue Maschine könne schnell bis zu 500.000 Euro kosten.

Bei Bechtold & Sohn wird rund um die Uhr produziert. Allein mehr als 23 Millionen Wunddrainagen-Flaschen hat das Werk in Oberzent-Beerfelden zusammen mit der Niederlassung im tschechischen Kralovice im Jahr 2022 hergestellt und an seine Kunden geliefert, zum Beispiel an das bekannte Medizintechnik-Unternehmen B. Braun in Melsungen. „Wir liefern diese Flaschen an viele Unternehmen in Deutschland, die auch nach China exportieren, oder direkt an den Marktführer für Spanien, Portugal und Nordafrika sowie an Kunden in Osteuropa“, schildert Geschäftsführer André Bechtold. „Der Auslandsmarkt für diese Produkte wächst, und man legt dort Wert auf ,made in Germany‘.“

Rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in dem Unternehmen tätig, 85 in Beerfeden, 65 in Kralovice. Begonnen hatte die Firma als holzverarbeitender Betrieb, was Mitte des 20. Jahrhunderts eingestellt wurde. Seither liegt der Fokus auf der Verarbeitung von Kunststoffen. Mit André Bechtold wird das Unternehmen schon in fünfter Generation geführt.

„Wenn ein Familienunternehmen auf eine solch lange Geschichte zurückblicken und sich aktuell im internationalen Wettbewerb erfolgreich positionieren kann, dann haben die Firmenlenker bis heute vieles, wenn nicht gar alles richtiggemacht“, urteilt Landrat Matiaske nach dem Betriebsrundgang. Wolfgang Bechtold bedankt sich für dieses Lob: „Das freut uns sehr. Aber wir können uns darauf nicht ausruhen. Wir müssen dranbleiben, bei allen unseren Kunden, auf allen unseren Märkten. Denn nichts kommt von selbst.“