Damit Kinder in ein neues
Leben finden können

Das ist rekordverdächtig: 20 Jahre Dienst als Pflegemutter im Odenwaldkreis. Drei Pflegekinder hat die gestandene Frau bis zu deren 18. Lebensjahr bereits erzogen und begleitet, drei weitere betreut sie aktuell – darunter zwei kleine Kinder, die das Jugendamt in Obhut nehmen musste. „Auch, wenn es in all den Jahren manche Herausforderung gab, habe ich es keinen einzigen Tag bereut“, sagt sie.

Ihren Namen möchte sie nicht öffentlich nennen, was auch im Sinn von Sabrina Scheuermann-Knapp ist: „Wir wollen die Privatsphäre von Pflegefamilien so gut es geht schützen“, betont die Mitarbeiterin des Pflegekinderdiensts des Jugendamts. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen Diana Lichtblau und Anna Oppenländer kümmert sie sich um die Pflegeeltern und -kinder im Odenwaldkreis.

Es gibt zwei Arten von Pflegestellen: die Dauer- und die Bereitschaftspflege. In Familien mit Dauerpflegestellen leben Pflegekinder in der Regel bis zum 18. Lebensjahr, manchmal auch etwas länger. Bereitschaftspflegestellen werden bei Inobhutnahmen gebraucht, hier muss rasch ein Platz gefunden werden. In jenen Familien bleiben Kinder vorübergehend, bis eine Dauerpflegestelle gefunden ist oder nach intensiven Vereinbarungen mit dem Jugendamt klar ist, dass sie zu ihren leiblichen Eltern zurückkehren können. Derzeit sind im Odenwaldkreis 66 Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien.

In der Regel werden Kinder bis zum zwölften Lebensjahr in Pflegefamilien vermittelt. Ältere Kinder, die nicht in ihren Herkunftsfamilien bleiben können, kommen eher in eine Einrichtung. „Wenn Pflegekinder erst als Pubertierende in Familien kommen, kann dies enorme Herausforderungen mit sich bringen“, erläutert Scheuermann-Knapp. „Das hilft dann weder dem Pflegekind, noch wird es den Familien gerecht.“

Pflegemutter: Jedes Pflegekind wie ein eigenes Kind

„Gerade bei pubertierenden Pflegekindern können existentielle Fragen mit Wucht aufbrechen“, fügt die erfahrene Pflegemutter hinzu und nennt Beispiele: „Wieso wollten meine leiblichen Eltern mich nicht? Wohin gehöre ich? Wer hält zu mir?“ So ging es ihr mit ihrer ersten Pflegetochter: Sie kam als Dreijährige zu ihr, als Jugendliche hatte sie eine schwere Zeit. „Wir sind durch einige Tiefen gegangen, aber ich habe sie nie allein gelassen“, berichtet die Pflegemutter. „Jedes Pflegekind ist für mich wie ein eigenes Kind.“

Mittlerweile ist die junge Frau 18 Jahre alt und arbeitet daran, beruflich auf eigenen Füßen zu stehen. Auch kann sie sich gut vorstellen, einmal eine eigene Familie zu gründen. „Wenn ich das sehe, bin ich schon ein wenig stolz“, sagt die Pflegemutter. Offiziell ist das Pflegeverhältnis beendet, aber die beiden haben noch Kontakt zueinander.

Jugendamts-Leiterin: Brauchen dringend mehr Plätze

Insgesamt gibt es derzeit im Odenwaldkreis 42 Familien mit Dauerpflegeplätzen und elf mit Bereitschaftspflegeplätzen. „Wir brauchen dringend weitere Plätze, denn die Zahl der Kinder, die wir unterbringen müssen, nimmt nicht ab“, erläutert Jugendamts-Leiterin Karina Glabisch. Wer Interesse hat, kann unter pflegekinderdienst@odenwaldkreis.de oder der Hotline des Jugendamts (06062 70-123) mit dem Pflegekinderdienst Kontakt aufnehmen und ein Erstgespräch vereinbaren.

Landrat Frank Matiaske dankt den Pflegeeltern im Odenwaldkreis, die bereits im Einsatz sind: „Sie alle sind für ihre Pflegekinder eine enorm wichtige Stütze und geben ihnen eine neue Perspektive für ihr Leben.“ Zum Dank hatte der Pflegekinderdienst alle Eltern und Kinder jüngst wieder zum traditionellen Adventstreffen eingeladen. „Gemeinsam zu feiern, ist nicht nur schön, sondern fördert auch den Austausch“, so Glabisch.

Doch die Angebote des Pflegekinderdienstes gehen weit über Zusammenkünfte wie die Adventsfeier oder ein Grillfest im Sommer hinaus. Er bereitet werdende Pflegeeltern intensiv auf ihren Dienst vor, auch mögliche Herausforderungen werden klar benannt. „Pflegeeltern zu sein, ist kein Spaziergang“, sagt die erfahrene Pflegemutter. Der Pflegekinderdienst unterstützt die Eltern aber auch, bietet Fortbildungen und Supervisionen an und steht immer für Fragen zur Verfügung. „Wichtig ist, dass man mit dem Herzen dabei ist und nicht wegen des Pflegegeldes“, hebt Scheuermann-Knapp hervor. Das Pflegegeld ist nach dem Alter der Kinder gestaffelt. Hinzu kommt noch ein Erziehungsbeitrag.

Zu den zentralen Aufgaben des Pflegekinderdienstes gehört auch die Organisation des Umgangs der Kinder mit ihren leiblichen Eltern. In der Regel treffen sie sich einmal im Monat, bei Säuglingen und Kleinkindern öfter. Mal mit Pflegeeltern, mal ohne. „Das kommt ganz auf die Situation an“, so Scheuermann-Knapp. In Konfliktfällen ist auf jeden Fall der Pflegekinderdienst oder eine von ihm beauftragte Fachkraft dabei, um einer möglichen Eskalation vorzubeugen.

Auch die erfahrene Pflegemutter weiß die Hilfe des Pflegekinderdiensts zu schätzen. „Bei Fragen ist er meine erste Anlaufstelle.“ Umgekehrt kann sich der Pflegekinderdienst auf die engagierte Frau verlassen: „Solange ich gebraucht werde, bin ich da.“