Die Digitalisierung im Gesundheitswesen bringt wachsende Chancen zugunsten von Patientinnen und Patienten mit sich. Das wurde beim jüngsten Odenwald-Dialog deutlich, zu dem die Odenwald-Akademie am Donnerstagabend (5.6.) ins Haus der Energie/Volksbank-Atrium eingeladen hatte. Zugleich wurde klar, dass moderne Techniken nicht die ärztliche Zuwendung ersetzen sollen und dass noch viele Aufgaben angegangen werden müssen, etwa eine bessere Vernetzung zwischen Kliniken und Arztpraxen.
„Digitalisierung kann uns helfen, die Versorgung effizienter, zugänglicher und sicherer zu machen“ und dem Personalmangel in Medizin und Pflege entgegenzuwirken, betonte Florian Kirchbuchner vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD in Darmstadt. Er ermutigte dazu, die damit verbundenen neuen Möglichkeiten zu nutzen. Als ein Beispiel nannte er eine von seinem Institut entwickelte Technik, die mit Hilfe eines Scans der Augenhöhle und von 3-D-Druck passgenaue künstliche Augen entwickle, was gegenüber bisherigen Verfahren viele Vorteile bringe. Kirchbuchner zitierte den bekannten Blogger Sascha Lobo mit dem Satz: „Digitalisierung im Gesundheitswesen lässt sich nicht kleinhoffen.“
Zugleich dürfe Digitalisierung den persönlichen Kontakt mit dem Arzt und der Pflegekraft nicht ersetzen, mahnte Kirchbuchner in seinem Impulsreferat zu Beginn der Veranstaltung. Er ist auch Mitglied im Team Innovative Pflege e.V., Darmstadt. Überdies sprach er sich für eine bessere Vernetzung der relevanten Institutionen aus; vieles, was im Prinzip schon möglich sei, scheitere noch an einer mangelnden Vernetzung. Den Datenschutz bezeichnete er als wichtig, warnte aber davor, sich in der technischen Entwicklung von ihm ausbremsen zu lassen. Nötig sei überdies eine Unterstützung für alle Patientinnen und Patienten in punkto digitaler Teilhabe.
Im Anschluss diskutierte Kirchbuchner mit Abir Giacaman, Geschäftsführerin der Gesundheitszentrum Odenwaldkreis GmbH (GZO), dem Facharzt Bernhard Wagner, 1. Vorsitzender des Bezirks Odenwald des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Hessen, und dem Medizinethiker Dr. Martin Jungkunz vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg über die Chancen und Risiken von Digitalisierung im Gesundheitswesen. Dabei ging es nicht zuletzt über den hilfreichen Einsatz Künstlicher Intelligenz, unter anderem in der Krebs-Diagnose. Moderiert wurde das Gespräch wieder von Prof. Dr. Jan Wörner. Er ist Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften und Co-Vorsitzender der Plattform Lernende Systeme.
Landrat Frank Matiaske hatte in seiner Begrüßung zu Beginn die große Bedeutung der Digitalisierung in Medizin und Pflege hervorgehoben, an der kein Weg vorbeiführe. Dass das Thema von großem Interesse ist, zeigte die Teilnahme von mehr als 100 interessierten Bürgerinnen und Bürgern.
Giacaman nannte als wichtiges Beispiel der Digitalisierung im GZO die Vernetzung der Schlaganfalleinheit mit der Neurologie der Uni-Klinik in Heidelberg, was eine digitale Visite ermögliche. „Gerade hier, wo es schnell gehen muss, ist das ein hervorragendes Beispiel für Digitalisierung in unserer Klinik.“ Zudem sei ein Großteil der Patientenakten digital und eine automatisierte Datenübermittlung von Laboren sei mittlerweile Standard. Für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz müsse es zunächst von Experten getestete und zugelassene Programme geben, hob Giacaman hervor.
Auch Hausarzt Wagner hob die Bedeutung der persönlichen Zuwendung durch den Arzt hervor. Zugleich könne Künstliche Intelligenz dem Arzt dabei helfen, Patientinnen und Patienten den Stellenwert von Gesundheitsvorsorge noch deutlicher zu machen. Digitale Hilfsmittel betrachtete er insofern kritisch, als dass Patientinnen und Patienten Rat im Internet bei „Dr. Google“ suchen, was zu Fehlinformationen führen und Verunsicherung auslösen könne.
Der Medizinethiker Dr. Jungkunz warb ebenfalls dafür, dass die persönliche Zuwendung zwischen Arzt und Patient nicht verloren gehen sollte. Zugleich sei eine Videosprechstunde aber besser als wenn es sonst keinen Austausch geben würde. Die Digitalisierung müsse im Sinne des Patientenwohls eingesetzt werden.

Die Veranstaltungsreihe „Odenwald-Dialog“ der Odenwald-Akademie feiert in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. Seit der ersten Veranstaltung wird sie von Prof. Dr. Wörner moderiert. Landrat Matiaske und Rüdiger Holschuh, der Vorsitzende des Fördervereins der Odenwald-Akademie, dankten Wörner für seinen langjährigen Einsatz. „Wir haben ein tolles, erfolgreiches Format mit hoher Qualität, das dazu beiträgt, den Wert von Wissenschaft und Forschung zu erkennen und zu würdigen“, so Holschuh. Beide dankten auch Raquel Jarillo von der Odenwald-Akademie für ihre professionelle Vorbereitung des Odenwald-Dialogs und der anderen Akademie-Veranstaltungen.
Wie sich schon junge Leute mit dem Themenfeld Gesundheit und Digitalisierung auseinandersetzen, demonstrierten Schülerinnen und Schüler aus dem Leistungskurs Gesundheit / Q 2 des Beruflichen Schulzentrums Odenwaldkreis mit ihren Lehrern Dr. Angela Ritzkowski und Marcus Orth. So kann mit Hilfe einer VR-Brille die Anatomie des Körpers, etwa das Herz-Kreislauf-System, eindrucksvoll „erkundet“ oder der OP-Saal des GZO virtuell besucht werden. Hierzu gibt es eine enge Kooperation mit dem Lern- und Forschungszentrum Odenwaldkreis.