Allgemeinverfügung zur Haltung von Geflügel

Allgemeinverfügung

des Landrats des Odenwaldkreises

Aufgrund des Artikels 70 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 i. V. m. Art. 55 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) 2016/429 sowie des Artikels 71 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/429 i. V. m. § 14 a Abs. 1 und § 13 Abs. 5 der Geflügelpest-Verordnung ergeht für den Odenwaldkreis folgende Allgemeinverfügung

  1. Wer im Odenwaldkreis Geflügel im Sinne des Artikel 4 Nummer 9 der Verordnung (EU) 2016/429 bzw. in Gefangenschaft gehaltene Vögel im Sinne des Artikel 4 Nummer 10 der Verordnung (EU) 2016/429 hält, hat mit Wirkung von dem Tag an, der auf die Bekanntmachung dieser Allgemeinverfügung folgt, sicherzustellen, dass 

a

die Ein- und Ausgänge zu den Ställen oder die sonstigen Standorte gegen unbefugten Zutritt oder unbefugtes Befahren gesichert sind,

b

die Ställe oder die sonstigen Standorte von betriebsfremden Personen nur mit betriebseigener Schutzkleidung oder Einwegschutzkleidung betreten werden und dass diese Personen die Schutz- oder Einwegschutzkleidung nach Verlassen des Stalles oder sonstigen Standorts unverzüglich ablegen,

c

Schutzkleidung nach Gebrauch unverzüglich gereinigt und desinfiziert und Einwegschutzkleidung nach Gebrauch unverzüglich unschädlich beseitigt wird,

d

eine betriebsbereite Einrichtung zum Waschen der Hände sowie eine Einrichtung zum Wechseln und Ablegen der Kleidung und zur Desinfektion der Schuhe vorgehalten wird,

e

Fahrzeuge, Maschinen und sonstige Gerätschaften, die in der Geflügelhaltung/Vogelhaltung eingesetzt und in mehreren Ställen benutzt werden, jeweils vor der Benutzung in einem anderen Stall gereinigt und
desinfiziert werden,

f

Fahrzeuge, Maschinen und sonstige Gerätschaften, die in der Geflügelhaltung/Vogelhaltung eingesetzt und von mehreren Betrieben gemeinsam benutzt werden, im abgebenden Betrieb vor der Abgabe gereinigt und desinfiziert werden,

g

eine ordnungsgemäße Schadnagerbekämpfung durchgeführt wird und hierüber Aufzeichnungen gemacht werden,

h

ein Raum, Behälter oder eine sonstige Einrichtung zur Aufbewahrung verendeten Geflügels vorgehalten wird. Diese/r muss flüssigkeitsdicht und leicht zu reinigen und zu desinfizieren sein. Der Raum, Behälter oder die sonstige Einrichtung, in dem/der verendetes Geflügel aufbewahrt wird, ist vor unbefugtem Zugriff zu schützen und muss unzugänglich für andere Tiere sein.

i

der Raum, der Behälter oder die sonstige Einrichtung zur Aufbewahrung verendeten Geflügels nach jeder Abholung, mindestens jedoch einmal im Monat, gereinigt und desinfiziert wird oder werden,

j

nach jeder Einstallung oder Ausstallung von Geflügel die dazu eingesetzten Gerätschaften und der Verladeplatz gereinigt und desinfiziert werden und dass nach jeder Ausstallung die frei gewordenen Ställe einschließlich der dort vorhandenen Einrichtungen und Gegenstände gereinigt und desinfiziert
werden,

k

betriebseigene Fahrzeuge unmittelbar nach Abschluss eines Geflügeltransports auf einem befestigten Platz gereinigt und desinfiziert werden bzw. im Falle mehrerer Transporte lebenden Geflügels an einem Tag von demselben Herkunftsbetrieb in denselben Bestimmungsbetrieb unmittelbar nach Abschluss des letzten Transportes.

l

Bei Geflügelschauen, -börsen und –märkten sind an allen Ein- und Ausgängen Möglichkeiten zur Schuhdesinfektion zu schaffen. Hinweis: Zur Desinfektion sind nur von der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) für den Tierseuchenbereich zugelassene Desinfektionsmittel zu verwenden.

2. Wer im Odenwaldkreis mit Geflügel im Sinne des § 14a Abs. 1 der Geflügelpestverordnung in Form eines Reisegewerbes (außerhalb oder ohne feste gewerbliche Niederlassung) handelt, darf Geflügel gewerbsmäßig nur abgeben, soweit es längstens vier Tage vor der Abgabe

a. klinisch tierärztlich oder,

b. im Fall von Enten und Gänsen, virologisch

mit negativem Ergebnis auf das aviäre Influenzavirus untersucht worden ist. Derjenige, der das Geflügel abgibt, hat eine tierärztliche Bescheinigung über das Ergebnis der Untersuchung mitzuführen. Die Bescheinigung ist meiner Behörde auf Verlangen vorzulegen.

3. Die sofortige Vollziehung dieser Verfügung wird hiermit gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im öffentlichen Interesse angeordnet.

4. Diese Verfügung gilt an dem auf die ortsübliche Bekanntmachung folgenden Tag als bekannt gegeben und gilt zunächst befristet bis zum 31. Mai 2023.

Begründung

Deutschland und Europa erlebten zwischen dem 30. Oktober 2020 und April 2021 die bisher schwerste Geflügelpestepizootie. So wurde ein seit Sommer 2020 aktives HPAIV H5- Geschehen im südlichen Sibirien und dem angrenzenden Norden Kasachstans vermutlich mit dem Herbstvogelzug 2020 nach Europa eingetragen und führte in der Folge zu einer massiven HPAIV H5-Epizootie bei Wildvögeln. Sukzessive kam es ab Oktober 2020 bis heute zu Ausbrüchen in Geflügelhaltungen in ganz Europa. Bereits in der Vergangenheit fielen einige solcher Ausbruchsgeschehen zeitlich und räumlich mit dem Herbstzug von migrierenden Wasservögeln zusammen und führten zur Verbreitung der Viren nach Europa und Afrika; es handelt sich somit um ein bekanntes Eintrags- und Ausbreitungsmuster. Auch in diesem Jahr wurden zahlreiche HPAIV H5-Ausbrüche im westlichen Teil Russlands und Fälle bei Wildvögeln in der Nähe der Grenze zu Nordkasachstan und in Georgien nachgewiesen, welche sich durch den Herbstzug von Wasservögeln in Analogie der vergangenen Epidemien erneut nach Europa ausbreiten könnten. Seit dem 1. Oktober 2022 meldeten das Vereinigte Königreich (47), Frankreich (26), die Niederlande (13), Italien (6), Belgien (4), Norwegen (1) und Bulgarien (1) HPAIV H5 Ausbrüche bei Hausgeflügel. Bei den in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln wurden die meisten Ausbrüche von HPAI H5N1 aus Frankreich (24) und den Niederlanden (7) gemeldet. Weitere Meldungen kamen aus Nordirland (6), Belgien (5), dem Vereinigten Königreich (4), Irland (2) und Dänemark (1). 

Die Fallzahlen bei Wildvögeln nehmen derzeit zu. Die meisten Fälle wurden aus dem Vereinigten Königreich (69), den Niederlanden (37), Spanien (32), Belgien (23), Italien (10), Frankreich (8), Dänemark (4), Island (4) und sporadisch aus Kroatien, Irland, Norwegen, Schweden und Slowenien gemeldet Zudem gibt es in Deutschland seit Mitte Oktober 2021 wieder vermehrt Funde von HPAIV-infizierten Wildvögeln in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern sowie erste Einträge bei Geflügel und in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln. Im benachbarten Landkreis Miltenberg wurden zwei Ausbrüche in der Nähe zur Kreisgrenze des Odenwaldkreises gemeldet. Dies zeigt, dass im Gegensatz zu früheren Einträgen das Geschehen nicht vollständig zum Erliegen gekommen ist. Diese Einschätzung wird von den sporadischen Ausbrüchen bei Geflügel bzw. gehaltenen Vögeln (Kleinhaltungen) in Nachbarstaaten gestützt.

Das Geschehen entwickelt sich hoch-dynamisch, die Zahl HPAI H5- positiv getesteter Vögel steigt täglich weiter an. 

Bei der Geflügelpest handelt es sich gemäß Artikel 5 Abs. 1 Buchst. a Ziffer iv der Verordnung (EU) 2016/429 vom 9. März 2016 in der aktuell gültigen Fassung um eine gelistete Seuche, die gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/429 vom 9. März 2016 i. V. m. der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1882 vom 3. Dezember 2018 in der aktuell gültigen Fassung der Kategorie A zugeordnet wird. Unter der Kategorie A sind Seuchen gelistet, die normalerweise nicht in der EU auftreten und für die unmittelbaren Tilgungsmaßnahmen ergriffen werden müssen, sobald sie nachgewiesen werden.

Besondere Erwägungen zu Ziffer 1:

Gemäß Artikel 70 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/429 ergreift die zuständige Behörde bei Verdacht auf das Auftreten einer gelisteten Seuche gemäß Artikel 9 Abs. 1 Buchstabe a bei wildlebenden Tieren oder der amtlichen Bestätigung eines solchen Auftretens die erforderlichen Seuchenpräventions- und –bekämpfungsmaßnahmen. Diese können gemäß Abs. 2 des vorgenannten Artikels eine oder mehrere der Maßnahmen gemäß den Artikeln 53 bis 69 der Verordnung (EU) 2016/429 umfassen. Das Virus der aviären Influenza wird vor allem durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren, aber auch über Kot und andere durch Ausscheidungen von infizierten Tieren kontaminierte Materialien wie Einstreu sowie durch Schadnager übertragen. Hierbei spielen Wildvögel als Eintragsquelle eine wichtige Rolle, da sie Oberflächengewässer, Futtermittel und Einstreu kontaminieren können. Besonders Wasservögel stellen nach den vorliegenden Erkenntnissen ein Risiko dar, da Wasservögel infiziert sein können und den Erreger ausscheiden, ohne selbst Krankheitssymptome zu zeigen. Dadurch sind insbesondere Freilandhaltungen und Stallhaltungen gefährdet, bei denen keine adäquate Schutzvorrichtung gegen das Eindringen von Wildvögeln besteht, da ein direkter Kontakt mit infizierten Wildvögeln und kontaminiertem Material naturgemäß möglich ist. Um dem Seuchenprofil, den betreffenden wildlebenden Tieren und der Gefahr der Übertragung der Seuchen auf gehaltene Tiere Rechnung zu tragen, war es erforderlich die Maßnahmen gemäß Artikel 55 Abs. 1 Buchst. c sowie Artikel 61 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung (EU) 2016/429 anzuordnen.

Gemäß Artikel 55 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) 2016/429 stellt die zuständige Behörde sicher, dass geeignete Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren angewendet werden, um die Ausbreitung des Erregers dieser gelisteten Seuche auf andere Tiere zu verhindern. Gemäß Artikel 4 Nr. 23 der oben genannten Verordnung sind darunter unter anderem die Summe der verwaltungstechnischen und physischen Maßnahmen zur Verringerung des Risikos der Einschleppung, Entwicklung und Ausbreitung von Seuchen in Tierpopulationen zu verstehen. Gemäß Artikel 61 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung (EU) 2016/429 kann die zuständige Behörde Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen sowie die Bekämpfung von Insekten und Nagern sowie sonstige notwendige Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren ergreifen. Die getroffenen Maßnahmen sind erforderlich, um das Risiko der Einschleppung der Geflügelpest in Geflügelbestände/Vogelhaltungen zu reduzieren und damit die Ausbreitung der Geflügelpest auf ein Minimum zu beschränken. Zudem konkretisieren die angeordneten Maßnahmen ebenfalls die gemäß Artikel 10 der Verordnung (EU) 2016/429 bestehende Verpflichtung der Unternehmer geeignete Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren zu treffen, um das Risiko hinsichtlich der Ausbreitung von Seuchen zu reduzieren und die Gesundheit Ihrer Tiere zu erhalten.

Aufgrund der aktuell hohen Wildvogeldichte im Rahmen des Vogelzugs ist die Anordnung der oben genannten Biosicherheitsmaßnahmen erforderlich, um die Ein- und Verschleppung des Virus in Hausgeflügelbestände zu verhindern.

Auch das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (Friedrich-Loeffler-Institut, FLI)bewertet das Risiko einer Ausbreitung von HPAIV H5 bei Wildvögeln sowie einer Übertragung auf Geflügel und in Gefangenschaft gehaltene Vögel in seiner aktuellen Risikoeinschätzung vom 8.11.2022 als hoch. Kontakte zwischen Geflügel/in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln und Wildvögeln sollten unbedingt verhindert werden. Denn überall dort, wo Kontaktmöglichkeiten zwischen Wildvögeln und Hausgeflügel/in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln, insbesondere Wasservögeln, bestehen, können Infektionen eingetragen werden und neue Infektionsquellen entstehen. Zum Schutz vor einem Eintrag und der möglichen weiteren Verbreitung von HPAIV-Infektionen empfiehlt das FLI die konsequente Einhaltung von Biosicherheitsmaßnahmen. Aufgrund dieser Einschätzung wurden im Rahmen einer Risikobewertung die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigt. Insbesondere für Hausgeflügelbestände/Vogelhaltungen, die, bedingt durch die Haltung Kontakt zur Wildvogelpopulation haben, besteht ein großes Risiko für die Einschleppung des Virus. Denn symptomlos infizierte Wildvögel bzw. solche, die sich in der Inkubationszeit befinden, sind mobile Virusträger, die das Virus weiterverbreiten können. Viele Wasservogelarten bewegen sich zwischen Ackerflächen auf denen sie tagsüber Nahrung aufnehmen, und Rastgewässern, die sie abends und nachts aufsuchen. Sie können das Virus mit dem Kot ausscheiden und die aufgesuchten Landflächen und Gewässer kontaminieren. Darüber hinaus können tote Wasservögel von Prädatoren (Säugetiere wie Fuchs und Marder, aber auch Greifvögel und Krähen) geöffnet und Körperteile oder Innereien, die hohe Viruslasten tragen, verschleppt werden, so dass mit einer beträchtlichen Umweltkontamination auch auf Acker- und Weideflächen gerechnet werden muss. Personen, die solche Flächen betreten, und Fahrzeuge, die sie befahren, können das Virus weiterverbreiten und auch in Geflügel haltende Betriebe eintragen. Die unter den Ziffern 1 und 2 getroffene Anordnungen wurden in Ausübung des der Behörde hierbei zustehenden Ermessens getroffen, um das Risiko einer Weiterverschleppung der Tierseuche zu verhindern. Entgegenstehende Interessen von Tierhaltern/Tierhalterinnen müssen gegenüber den Interessen an der Bekämpfung der Tierseuche zurückstehen. Die getroffene Anordnung ist geeignet und erforderlich, um den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Durch Anordnung der Biosicherheitsmaßnahmen wird das Risiko eines direkten und indirekten Kontakts mit infizierten Wildvögeln minimiert.

Besondere Erwägungen zu Ziffer 2:

Bei dem vergangenen Geflügelpestgeschehen 2020/21 wurde das Virus über den Geflügelhandel bundeslandübergreifend zwischen Geflügelhaltungen verschleppt und verursachte ein massives Ausbruchsgeschehen. Da das Virus der Geflügelpest insbesondere durch direkte Tierkontakte übertragen wird, stellt ein ambulanter Lebendgeflügelhandel besonders hohe Risiken für eine Verschleppung des Virus in andere Haltungen und damit einer Ausbreitung der Seuche dar.

Artikel 71 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/429 eröffnet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, zusätzlich zu den Seuchenbekämpfungsmaßnahmen nach europäischem Recht nationale Maßnahmen festzulegen, sofern die nationalen Maßnahmen dem europäischem Recht genügen und zur Bekämpfung der Ausbreitung der Seuche erforderlich und verhältnismäßig sind. Die nationale Geflügelpest-Verordnung gilt somit in allen Teilen weiter, sofern sie diesen Anforderungen genügt. Gemäß § 14 a Abs. 1 der Geflügelpest-Verordnung kann die zuständige Behörde anordnen, dass Geflügel außerhalb einer gewerblichen Niederlassung oder, ohne eine solche Niederlassung zu haben, gewerbsmäßig nur abgegeben werden darf, soweit das Geflügel längstens vier Tage vor der Abgabe klinisch tierärztlich oder, im Fall von Enten und Gänsen, virologisch nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde mit negativem Ergebnis auf aviäres Influenzavirus untersucht worden ist. Im Fall von Enten und Gänsen gilt § 13 Abs. 5 Satz 1 Nummer 1, Satz 2 und 3 Nummer 1 (Probenumfang) entsprechend. Derjenige, der das Geflügel abgibt, hat eine tierärztliche Bescheinigung über das Ergebnis der Untersuchung mitzuführen. Die Bescheinigung ist der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen und mindestens ein Jahr aufzubewahren.

Bei der Geflügelpest handelt es sich um eine hochansteckende Viruserkrankung der Hühner und anderen Geflügels, die zu schweren klinischen Erkrankungen bis hin zum Tod der infizierten Tiere führt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das Auftreten der Geflügelpest in Hausgeflügelbeständen zu erheblichen Handelsbeschränkungen und damit zu weiteren erheblichen wirtschaftlichen Schäden führt.

In Anbetracht dieser Gegebenheiten ist die Anordnung der Untersuchung erforderlich, um die Einschleppung oder Verschleppung der Geflügelpest durch den mobilen Geflügelhandel zu vermeiden. Die klinische Untersuchung von anderem Geflügel als Enten und Gänsen bzw. die virologische Untersuchung der letztgenannten bietet auf Grundlage der veterinärmedizinischen Erkenntnisse, die sich in der Gesetzgebung des § 14a Geflügelpest-Verordnung niederschlagen, eine höhere Sicherheit, dass kein Virus verschleppt wird, als ohne Untersuchung besteht. Die Anordnung ist erforderlich, da kein anderes, milderes Mittel zur Verfügung steht, welches zur Zweckerreichung gleichermaßen geeignet ist. Die Anordnung ist auch für das gesamte Gebiet des Odenwaldkreises erforderlich, da die Gefahr besteht, dass sich das Geschehen aufgrund seiner Dynamik weiter ausweitet. Darüber hinaus besteht bundesweit ein hohes Geflügelpest-Einschleppungsrisiko über HPAlVinfizierte Wildvögel in Hausgeflügelbestände und Geflügelhandelsbetriebe.

Aufgrund der typischerweise beim Wassergeflügel weniger bis gar nicht ausgeprägten klinischen Symptomatik sind für diese eine Abklärung mittels virologischer Untersuchungen vorgesehen. Eine wirksame Überwachung des ambulanten Lebendgeflügelverkaufs zur Vermeidung einer Verbreitung von HPAI-Infektionen auf diesem Weg ist demnach für eine effektive Tierseuchenbekämpfung erforderlich. Zudem konkretisieren die angeordneten Maßnahmen ebenfalls die gemäß Artikel 10 der Verordnung (EU) 2016/429 bestehende Verpflichtung der Unternehmer geeignete Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren zu treffen, um das Risiko hinsichtlich der Ausbreitung von Seuchen zu reduzieren.

Besondere Erwägungen zu Ziffer 3:

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in dieser Verfügung beruht auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686) in der zurzeit gültigen Fassung und ist im öffentlichen Interesse notwendig. Die Anordnung der Biosicherheitsmaßnahmen sowie der Überwachung des mobilen Geflügelhandels ist mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu versehen, um den Eintrag der Geflügelpest in Geflügelbestände/Vogelhaltungen durch Wildvögel und Geflügel sowie die Weiterverbreitung des Virus zu verhindern. Es besteht ein übergeordnetes Interesse daran, die Ein- und Weiterverschleppung der Tierseuche aus dem betroffenen Bestand wirksam zu verhindern. Das überwiegende Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Tierseuchenbekämpfung erfordert, dass die Pflicht zur Einhaltung der angeordneten Maßnahmen sofort und umfassend greift und dessen Wirksamkeit nicht durch die Einlegung von Rechtsbehelfen für geraume Zeit gehemmt wird. Bei der Geflügelpest handelt es sich um eine sich schnell ausbreitende Erkrankung, die zu erheblichen Gefahren für das  Tierwohl führt und auch zu beträchtlichen wirtschaftlichen Einbußen. Zudem ist zu befürchten, dass der Ausbruch der Geflügelpest zu rigorosen Handelsbeschränkungen führen wird. Die effektive Verhinderung erheblicher tiergesundheitlicher und wirtschaftlicher Schäden ist höher zu bewerten als das entgegenstehende Interesse einzelner, von den Folgen der getroffenen Anordnung verschont zu werden. Im überwiegenden öffentlichen Interesse muss daher sichergestellt werden, dass die getroffenen Anordnungen sofort vollzogen werden können. Angesichts der Möglichkeit, dass aufgrund eines Ausbruchs der Geflügelpest rigorose Handelsbeschränkungen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland oder Teilen davon verhängt werden und den damit verbundenen, massiven volkswirtschaftlichen Schäden insbesondere aber auch wegen der drohenden Gesundheitsgefahren für Tiere, kann sich die Behörde nicht auf die aufschiebende Wirkung etwaiger Rechtsbehelfe und der damit verbundenen zeitlichen Verzögerungen hinsichtlich der Umsetzung der Maßnahmen zur Verhinderung der Einschleppung der Seuche einlassen. Nur wenn die angeordneten Maßnahmen sofort und umfassend greifen, kann das Risiko der Übertragung der Tierseuche auf Geflügel begrenzt werden. Persönliche und wirtschaftliche Interessen Einzelner, die der Anordnung der sofortigen Vollziehung entgegenstehen, müssen demgegenüber zurücktreten.

Besondere Erwägungen zu Ziffer 4:

Gemäß § 41 Abs. 4 S. 3 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HVwVfG) in der aktuell gültigen Fassung gilt der Verwaltungsakt zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. Gemäß§ 41 Abs. 4 Satz 4 HVwVfG kann als Zeitpunkt der Bekanntgabe der Tag, der auf die Bekanntmachung folgt, festgelegt werden. Zur wirksamen Verhütung der Weiterverbreitung der Geflügelpest habe ich von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Gemäß § 43 Abs. 1 HVwVfG wird diese Verfügung daher am Tag nach ihrer Bekanntgabe wirksam.

Die Zuständigkeit des Landrats ergibt sich aus § 1 Abs. 1 des Gesetzes zum Vollzug von Aufgaben auf den Gebieten des Veterinärwesens, der Lebensmittelüberwachung und der Ernährungssicherstellung und –vorsorge (VLEVollzG) vom 21. März 2005 (GVBl. I S. 229, 232) in der zurzeit gültigen Fassung, da in der Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten im Veterinärwesen und bei der Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung vom 8. November 2010 (GVBl I 354, 358) in der zurzeit gültigen Fassung keine abweichende Zuständigkeit begründet wurde. 

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Bescheid kann jeder Betroffene innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erheben. Der Widerspruch ist schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetz (HVwVfG) oder zur Niederschrift beim

Landrat des Odenwaldkreises

Michelstädter Straße 12

64711 Erbach

einzulegen.

Wenn Sie den Widerspruch in elektronischer Form einreichen, beachten Sie dabei, dass die angegebenen Kontakt-E-Mail-Adressen des Odenwaldkreises noch nicht für den Empfang und die Prüfung qualifiziert signierter E-Mails vorbereitet sind. Die elektronische Form kann daher derzeit nur wie folgt gewahrt werden:

  • Übermittlung mit De-Mail in der Sendevariante mit bestätigter sicherer Anmeldung
  • nach dem De-Mail-Gesetz. Die De-Mail-Adresse lautet: info@odenwaldkreis.demail.de
  • Übersendung eines von der verantwortenden Person qualifiziert signierten
  • Dokumentes an die im Bescheid genannten E-Mail-Kontaktadressen des Odenwaldkreises
  • Übersendung eines von der verantwortenden Person qualifiziert signierten Dokumentes an das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Odenwaldkreises. 

Nähere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite: https://egvp.justiz.de/

Bitte beachten Sie, dass durch Übersendung einer gewöhnlichen E-Mail ohne qualifiziert signierten Dokumenten-Anhang die elektronische Form nicht gewahrt wird und dadurch der Widerspruch nicht wirksam eingelegt werden kann! Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Widerspruch § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im vorliegenden Fall keine aufschiebende Wirkung entfaltet und die getroffene Verfügung sofort zu beachten ist. Sie haben jedoch die Möglichkeit, einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beim 

Verwaltungsgericht Darmstadt

Julius-Reiber-Str. 37

64293 Darmstadt

einzureichen.

Der Antrag ist schriftlich, in elektronischer Form oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzureichen. Er kann auch mittels eines elektronischen Dokuments nach Maßgabe des § 55a Abs. 2 bis 4 VwGO und dem Kapitel 2 der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung erhoben werden, und zwar

  • mittels Übermittlung eines elektronischen Dokuments mit qualifizierter elektronischer Signatur,
  • mittels Versendung eines signierten elektronischen Dokuments, bei der der Absender im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 2 des De-Mail-Gesetzes sicher angemeldet ist und sich die sichere Anmeldung nach § 5 Abs. 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt,
  • bei Klageeinreichung durch ein Mitglied einer Rechtsanwaltskammer oder Notarkammer durch Übermittlung eines signierten elektronischen Dokuments über das besondere elektronische Anwaltspostfach oder Notarpostfach.

Bitte beachten Sie, dass durch Übersendung einer gewöhnlichen E-Mail die elektronische Form nicht gewahrt wird und dadurch der Antrag nicht wirksam eingereicht werden kann!

Erbach, den 10.11.2022

gez. Matiaske, Landrat